Wandelkonzerte in Maulbronn

Variantenreiche Frische und bezaubernde Traumtöne

Corona kann uns nicht entzweien. So sprach unser künstlerischer Leiter nach den wunderbaren Wandelkonzerten in Maulbronn im September zum begeisterten Publikum, aber auch zu uns Sängerinnen und Sängern.

Die vergangene Zeit in der Corona-Pandemie hat allen viel abverlangt. Wir konnten nur in kleinen Gruppen proben und auftreten, wenn überhaupt. Der Ein oder Andere blieb zwangsläufig auf der Strecke. Umso begeisterter waren wir, als uns ein ganz besonderes Konzertkonzept präsentiert wurde, das Benjamin Hartmann gemeinsam mit den Klosterkonzerten entwickelt hatte. Wir wollten unser Kloster wieder zum Klingen bringen und nicht nur das, wir wollten seine magische Ausstrahlung auf eine ganz besondere Art und Weise hervorheben.

Dies wurde ermöglicht durch unsere Teilnahme am Förderprogramm „NEUSTART AMATEURMUSIK“ des Bundesverbandes deutscher Chor und Orchester e.V. So konnten wir uns als Chor auf eine gewisse Art und Weise in der Corona-Pandemie neu erfinden, ohne zu große finanzielle Schwierigkeiten befürchten zu müssen.

Das Konzept von Benjamin Hartmann und Sebastian Eberhardt sah es vor, dass wir den Chor als drei gänzlich autarke Einheiten aufteilen würden. Getrennte Proben und getrennte Konzerte im gesamten Maulbronner Kloster. Die Zuschauer sollten zwischen den Konzertorten umherwandeln und das Kloster damit neu kennenlernen. Begleitet werden sollte das Wandeln durch sogenannte Soundscapes (englisch für Klangumgebung) die unseren Gästen auf ihre ganz eigene Art begegnen sollten. Abgerundet wurde dieses Gesamtkunstwerk durch aufwändige Lichtinstallationen, die das Kloster in den unterschiedlichsten Farbtönen erscheinen ließen.

Schließen wir uns einer kleinen Zuhörergruppe an und wandeln nun gemeinsam durch das Maulbronner Kloster.

Los geht es mit einem Konzert mit Chor und Orgel in der Klosterkirche. Begleitet wird das Chorensemble auf der hohen Orgelempore von der Grenzing-Orgel (gespielt von der langjährigen Kantorin Erika Budday) unter der Leitung unseres Ehrendirigenten Jügen Budday. Wir hören dort Werke von Gabriel Fauré, William Matthias, Herbert Howells und zuletzt von Johannes Brahms. Es ist ungewöhnlich für die Zuhörerinnen und Zuhörer den Chor nicht immer sehen zu können, denn normalerweise singt der Kammerchor aus dem Altarraum der Kirche und nicht „von oben“. Doch lädt diese ungewöhnliche Aufstellung dazu ein, den Blick durch die ganze gotische Kirche wandern zu lassen und die vielen unterschiedlichen Klänge für sich stehen zu lassen.

Nachdem die Orgeltöne verklungen sind, das Amen aus Brahms‘ geistlichem Lied klingt noch ein wenig nach, geht es nun in den Kreuzgang. Begleitet von jazzigen Saxophonklängen geht das Publikum aus der Kirche in die Räume des Klosters. Nacheinander wandeln nicht nur die Zuhörerschaft, sondern auch Teile des Chores mit seinen Klangimpulsen durch die Klausur. In der einen Ecke hört man John Cage, in der nächsten Ecke klackern Metronome rhythmisch vor sich hin, Sprechgesänge am Klosterbrunnen und melodische Tonwanderungen bevor ein gemeinsam angestimmter Kanon (viva la musica!) zum nächsten Konzert ruft.

Es geht nun weiter ins Laienrefektorium, wo unter der Leitung von Benjamin Hartmann ein kleiner Kammerchor mit einem A-cappella-Programm auf das Publikum wartet. Es erklingen Werke von Palestrina, Brahms, Andrea Raroddi, Distler und Richard Bennet. Eine klangliche Reise von der Romantik bis in die Moderne. Jedes Stück beschreibt aufs Neue den Wandel von der Dunkelheit in strahlendes Sternenlicht. Die Reise geht aber nun weiter, es geht zum Jagdschloss auf dem Klostergelände.

Unter klarem und doch bereits dunklem Himmel versammeln sich die Konzertbesucherinnen und -besucher und beginnen den Volksliedern und weltlicher Chormusik unter der Leitung von Bernd Reichenecker, selbst langjähriges Chormitglied, zu lauschen. Viele bekannte Lieder erklingen und lassen den ein oder anderen an vergangene Kammerchorkonzerte denken und vielleicht ein wenig mit einstimmen. Mit Stücken von Dowland, Brahms, Mendelssohn, Morley und Schubert erklingt ein abwechslungsreiches Kurzprogramm durch den ganzen Blumenstrauß der Chorliteratur mit Rufen nach Liebe, Freiheit und der Schönheit der Natur in der wir leben.

Doch was geschieht nun? Das Konzerterlebnis scheint zu Ende zu sein, doch wie soll nach solch einem Erlebnisreichen Abend ein Schlusspunkt gelingen? Das Programm führt den Hörer und die Hörerin auf den großen Klosterhof. Wieder begleitet durch ein aus allen Ecken erklingendem „viva, viva la musica“ versammeln sich alle am vereinbarten Treffpunkt: die drei Chöre und das ganze Publikum – selbstverständlich unter Einhaltung aller geltenden Regeln. Und so mit Abstand und im Klang und im Geiste doch verbunden klingt der Abend mit einem gemeinsamen Gesang aus.

So legt euch denn, ihr Brüder, in Gottes Namen nieder / Kalt ist der Abendhauch.

Verschon‘ uns Gott mit Strafen / und lass uns ruhig schlafen / und unsren kranken Nachbarn auch!

Die Pforzheimer Zeitung schrieb später zu den Konzerten: Mit der zweimaligen Aufführung eines A-cappella-Programms, mit variantenreicher Frische und bezaubernden Traumtönen meldete sich der Maulbronner Kammerchor unter der Leitung seines Chefs Benjamin Hartmann zurück – eine musikalisch-lyrische Einstimmung auf kommende Konzert-Ereignisse, wie sie schöner und einfühlsamer kaum hätten sein können.

Wer weiß, vielleicht kann dieses Konzertformat auch in der Zukunft nochmals gelingen, der Aufwand hat sich auf alle Fälle gelohnt.

Wir möchten uns an dieser Stelle bei unseren Freunden von den Maulbronner Klosterkonzerten bedanken, die uns bei der Umsetzung dieses gemeinsamen Projektes unterstützt haben und einen enormen Anteil am Erfolg dieser ganz besonderen Konzerte beigetragen haben.

Gefördert wurde das besondere Projekt durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen des Zukunftsprogramms NEUSTART KULTUR/NEUSTART Amateurmusik gemeinsam mit dem Bundesverband Chor & Orchester e.V.