Chorhistorie

Ein Blick in die Vergangenheit

„Ehre sei Dir, Gott! Gesungen“. Unter diesem Motto ist der Maulbronner Kammerchor in seinem Gründungsjahr von Maulbronn in die Welt aufgebrochen: nach New York. Genauer gesagt an den Broadway, um in der Trinity Church im Hochsommer 1983 an der Ecke zur Wallstreet sein allererstes Konzert zu geben: Noon Concerts.

Über 600 Konzerte sind seitdem dazugekommen. Gesungen in aller Welt, in den Domen, Münstern, Stadt- und Dorfkirchen Deutschlands, viele im Ländle und sehr viele davon in Maulbronn – in der Klosterkirche, im Kreuzgang, im Fruchtkasten und bei den Wanderkonzerten in den wunderbaren Kirchen, Keltern und Bauernhöfen der näheren Umgebung. Zahlreiche Konzerte auch auf den vielen herrlichen Konzertreisen, bei den Freunden in Argentinien/Brasilien/Uruguay, in USA/Israel, in Polen/Litauen, in Südafrika/Namibia, in Tschechien, der Slowakei, in Italien, Spanien und Frankreich und, und, und. Der Kammerchor hat seine Musik zu den Menschen getragen – und wurde dafür mit ihrer Freundschaft belohnt.

Der Maulbronner Kammerchor ist das Kind des Evangelischen Seminars Maulbronn, der Klosterkonzerte und des ehemaligen Seminarmusiklehrers Jürgen Budday, dem 2011 für seine Verdienste um die Musik vom Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg Stefan Mappus der Ehrentitel „Professor“ verliehen wurde. Sein Vorgänger, der Seminarmusiklehrer Martin Süße, hatte 1968 die Klosterkonzerte, damals noch unter dem Namen „Bachwoche“, aus der Taufe gehoben. Süße war von 1945 bis 1979 Seminarmusiklehrer am Evangelischen Seminar Maulbronn.

Jürgen Budday gründete 1983 den Maulbronner Kammerchor mit Mitgliedern der Maulbronner Kantorei, Familienangehörigen und Freunden und hat ihn viele Jahre lang geduldig zu dem geformt, was er heute ist: Der Maulbronner Kammerchor zählt seit vielen Jahren national und international zur Spitzengruppe der Chöre im semi-professionellen Bereich.

Die musikalische Elite des Evangelischen Seminars sorgte dabei stets für Chornachwuchs. Von Jürgen Budday früh geformt und gefördert, konnte sich der Maulbronner Kammerchor immer auf die künstlerische und auch menschliche Qualität seines Nachwuchses verlassen, ohne den die musikalische Laufbahn des Maulbronner Kammerchores nicht den gleichen Erfolg gehabt hätte. Nachhaltig hochrangiges, musikalisches Leben ist gerade in der sogenannten Provinz ohne eine fundierte und ambitionierte Jugendarbeit nicht denkbar. Mit zunehmendem Bekanntheitsgrad konnten über die Jahre weitere Nachwuchsquellen erschlossen werden.

Der Maulbronner Kammerchor ist der Chor der Klosterkonzerte, dem anderen Kind des Evangelischen Seminars Maulbronn. Die Klosterkonzerte werden in der Nachfolge Jürgen Buddays seit 2013 von seinem ehemaligen Schüler Sebastian Eberhardt geleitet, der selbst lange Jahre Bariton in den Reihen des Maulbronner Kammerchors war.

Auf die Verankerung in der Region und in Maulbronn wurde von Beginn an großen Wert gelegt. So leitete der Maulbronner Bürgermeister Andreas Felchle als Erster Vorsitzender die Geschicke des Maulbronner Kammerchors e.V. sowie seines Fördervereins, die Landräte Reichert (gest. 2021), Burckhardt und Röckinger konnten als Ehrenvorsitzende gewonnen werden. Konzerte im Opernhaus Teatro Valli von Reggio Emilia, Hauptstadt der Partnerregion des Enzkreises oder in Valdahon, der französischen Partnergemeinde Maulbronns sowie die musikalische Umrahmung städtischer Veranstaltungen oder kultureller Events des Enzkreises gehören daher zum Alltag des Kammerchors.

Über den Verband Deutscher Konzertchöre (VDKC), den Arbeitskreis Musik in der Jugend (AMJ) und den Badischen Chorverband ist der Maulbronner Kammerchor mit der bundesdeutschen Chorwelt verbunden. VDKC-Sonderkonzerte in Schwerin (2000), Wiesbaden (2004) und 2022 beim ersten VDKC-Chorfest Baden-Württembergs in Heidelberg unterstreichen diese Verbindung.

Wenngleich das primäre Interesse das Kammerchores immer der geistlichen A-cappella-Musik galt, stand seit Mitte der 90er-Jahre der zehnteilige Händel-Zyklus in historisch informierter Aufführungspraxis im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit. Jährliche Doppel-Aufführungen der Händeloratorien unter maßgeblicher musikalischer Prägung von Solist:innen mit Weltrang (Emma Kirkby, Miriam Allan, Marlis Petersen, Michael Chance, Charles Humphries, Mark LeBroq, Cornelius Hauptmann, Stephen Varcoe oder James Rutherford) wurden schnell zum Höhepunkt jeder Klosterkonzerte-Saison. Orchestral begleitet von der Hannoverschen Hofkapelle, mit der die Verbindung schnell über die Musik hinausging; für die Nachwelt festgehalten von den „Men in Black“, den Freunden von der pfälzischen K&K-Verlagsanstalt.

Außerhalb des Händel-Zyklus‘ wurden Oratorien von Bach (h-Moll-Messe, Vom Reiche Gottes), Brahms (Deutsches Requiem), Mozart (Requiem) oder Rossini (Petite Messe solennelle) aufgeführt, teils begleitet vom befreundeten Ensemble il capriccio, teils aber auch nur mit Klavierbegleitung (Brahms und Rossini) als reizvolle Variante.

Die Produktion von CDs nahm nach einer denkwürdigen Bemerkung Eckehard Uhligs deutlich Fahrt auf: „Man wünschte sich dieses Maulbronner Musikereignis auf einem modernen Tonträger für alle Zeiten konserviert und aufbewahrt“ (Uhlig in der BNN über Händels „Messiah“ mit Emma Kirkby 1993). Das Tonträgerarchiv des Maulbronner Kammerchors umfasst heute eine Vinyl-Langspielplatte (1988) und 24 CDs (neun A-cappella-Produktionen sowie 15 Live-Mitschnitte von Oratorien). Mit dem Aufkommen der Streamingdienste erfolgte die Umorientierung hin zum Visuellen. In den Corona-Jahren wurden „auf Abstand“ drei hochwertige Musik-Videos produziert. Das Video „Immortal Bach“ wurde auf dem virtuellen Cork International Choral Festival 2021 mit dem dritten Preis ausgezeichnet.

„Anspruch als Leitmotiv“. Das war und ist das Motto des Chores – von Anfang an. Musikalisch, aber auch menschlich. Das hat dem Chor Richtung gegeben, daraus wurde – mit spielerischer Virtuosität – geschöpft. Dass das alles nicht für Umsonst zu bekommen ist, steht außer Frage. Das Maulbronner Chorleben verlangt viel von Sänger:innen und Dirigent. Die Mitglieder reisen aus dem gesamten süddeutschen Raum und darüber hinaus zu den Proben-Wochenenden und Konzerten an. Können und Vorbereitung spielen die entscheidenden Rollen. Die Teilnahme an individueller Stimmbildung gilt als selbstverständlich. Über lange Jahre hat Elvira Lessle die Aufgabe der Stimmbildung chorintern wahrgenommen, mittlerweile verteilt sich dies auf mehrere Schultern.
Ohne diese Anstrengungen wären Wettbewerbserfolge nie möglich gewesen: Vordere Platzierungen beim Deutschen Chorwettbewerb 1990 (2. Preis), 1998 (1. Preis), Sieger der Kammerchor-Wettbewerbe in Prag (1990 und 1998) und Malta (2009).

2009 wurde der Maulbronner Kammerchor zum Internationalen Chorwettbewerb in Marktoberdorf eingeladen, was einem chorischen Ritterschlag gleichkommt, da sich alle zwei Jahre etwa 100 Spitzenchöre aus aller Welt darum bewerben, in der bayerischen Idylle konzertieren zu dürfen. Marktoberdorf gilt als Grand Slam der Chormusik. Der Maulbronner Kammerchor ging mit einem sehr guten zweiten Platz (Leistungsstufe 1: „International herausragend“) und dem Sonderpreis für die beste Interpretation des geistlichen Pflichtstückes im Gepäck nach Hause.

Auch nach so vielen Jahren Chorgeschichte sind da immer noch Visionen, gibt es immer noch zahlreiche Klänge, die zum Leben erweckt werden wollen. Es warten intensive Momente, die noch nicht geboren wurden – musikalische wie zwischenmenschliche – es ist noch viel im Entstehen.

2016 ging die Leitung des Maulbronner Kammerchores in die Hände von Benjamin Hartmann über. Der ehemalige Maulbronner Seminarist und Mitsänger hat nach Studienjahren in Leipzig und Schweden die Aufgabe übernommen, den Maulbronner Kammerchor in die Zukunft zu führen und diese Visionen in die Tat umzusetzen. Er konnte mit seinen ausgefeilten Programmkonzeptionen „Geld und Gerechtigkeit“, „Der Töne Licht“, „Ruhe bitte“ oder den aktuellen Videoproduktionen bereits markante Akzente setzen. Der auf fünf Teile konzipierte Mendelssohn-Zyklus wartet darauf, nach dem Ende der Corona-Pandemie weitergeführt zu werden.

Das altehrwürdige Maulbronner Kloster, 1993 erhoben zum UNESCO-Weltkulturerbe, ist seit über 870 Jahren angefüllt mit Ruhe und Stille; seit jeher zuweilen von Wohlklängen durchbrochen, durch das Miteinander junger und alter Stimmen. Die klösterlichen Mauern klingen wider von den großen und kleinen Musiken, mal pompös, mal verhalten – alles zu seiner Zeit.

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